Ralf Höller (li) und Heinz Kuntke
„Wenn ich ein Bayer wäre, wäre ich stolz auf diese Revolution“ (Ralf Höller, Autor und Historiker)
Der Verkaufsraum der Buchhandlung Collibri wurde für die Lesung von Ralf Höller (Historiker, Publizist und Buchautor) freigeräumt und füllte sich rasch mit Zuhörern. Ralf Höller las aus seinem Buch „Das Wintermärchen“ - in dem die Zeit der bayerischen Revolution der Jahre 1918/1919 aus der Wahrnehmung deutscher Literaturgrößen wie Oskar Maria Graf, Thomas Mann, Rainer Maria Rilke oder Lion Feuchtwanger dargestellt wird. Auf Einladung der sozialdemokratischen Stadträte Heinz Kuntke und Felix Holland genossen die Zuhörer eine kurzweilige und auch heitere abendliche Lesung, an die sich eine rege Diskussion anschloss.
In seiner einleitenden Begrüßung würdigte Heinz Kuntke die Person Kurt Eisner und den oft unter den Teppich gekehrten maßgeblichen Anteil der Sozialdemokratie an der Gründung des Freistaats Bayern. Ralf Höllers Werk „Das Wintermärchen“ ist bereits das zweite Buch, in dem sich der Historiker mit den dramatischen Ereignissen der unblutigen bayerischen Revolution auseinandersetzt: In der Nacht vom 7. auf den 8. November 1918 hatten der Sozialdemokrat Kurt Eisner und seine Mitstreiter den Freistaat ausgerufen und die Wittelsbacher abgesetzt. Die turbulente erste Phase der Republik endete am 21. Februar 1919 tragisch - mit Eisners Ermordung durch Graf Arco.
Mit Hilfe der Aufzeichnungen verschiedener Schriftsteller – die zu jener Zeit in größerer Anzahl in München lebten und mehr oder weniger in die Geschehnisse verwickelt waren – und eigenen Anmerkungen gelang es Ralf Höller, den Zuhörern die Anfänge der bayerischen Demokratisierung lebendig vor Augen zu führen und sogar zeitweise Spannung zu erzeugen. Die Revolution in München überraschte sogar den bekanntesten russischen Revolutionär, so der Autor - denn Lenin soll einmal gesagt haben, dass „die Deutschen nicht mal einen Bahnhof stürmen würden, ohne sich vorher eine Bahnsteigkarte zu kaufen“. „Ich bin zwar kein Bayer, aber wenn einer wäre, wäre ich stolz auf diese Revolution“, bekräftigte Ralf Höller.
Auch die zweite, radikalere Phase der Revolution war bald vorbei; verschiedenste Truppen, von Reichswehrminister Noske beauftragt, zogen gegen die bayerische Revolution ins Feld. Anfang Mai endete die Räterepublik mit Erschießungen und einem massiven politischen Rechtsruck. Geblieben von den revolutionären Ereignissen von 1918 sind der Freistaat Bayern, der 8-Stunden-Arbeitstag, das freie und gleiche Wahlrecht für alle (auch für Frauen!) - und nicht zuletzt die Bamberger Verfassung, die erste wirklich demokratische Verfassung Bayerns, die bis zur Machtübernahme durch die Nazis 1933 galt.